Diskussionsrunde zu Fussball, Homophobie und Sexismus
„Einige meiner besten Freunde sind Männer …“
Lesben- und Schwulenfeindlichkeit und Sexismus gehören zusammen. Wie, inwiefern und wie sich das zeigt – das ist Thema dieser Diskussionsrunde.
Homophobie und Sexismus – das sind geradezu unüberwindliche Hürden für die Liebe. In vielen Stadien gehören frauen- und schwulenfeindliche Sprüche dennoch geradezu zum guten Ton. Da kann man endlich mal die Sau raus lassen, wo ansonsten ein angebliches Diktat der „Political Correctness“ so richtig schön lustvoll abwertendes Verhalten und Niedermachen doch ach so repressiv unterdrücken würde.
„Da weiß man ja gar nicht mehr, was man sagen darf“ klagen bei Kritik an sexistischem und homophobem Verhalten zumeist heterosexuelle Männer. Zumindest in den Stadien, da nicht sowieso hemmungslos Chöre gegen die „schwulen Hamburger“ angestimmt werden – ein Kompliment, das zum Beispiel in Rostock den Fans des FC St. Pauli entgegen schallte.
Der FC St. Pauli ist traditionell Vorreiter im Kampf gegen Homophobie und Sexismus im Fussball. Auf dem Stadion weht nun die Regenbogenflagge, Zeichen des Kampfes für LGBT-Rechte – jenen von Lesben, Schwulen, Transgender und Bisexuellen. Was Berichterstattung bis Australien nach sich zog.
Das Präsidium des FC St. Pauli hat sich stark für die „Berliner Erklärung gegen Homophobie im Fussball“ eingesetzt, und als sexistisch Diagnostiziertes wie der Stangentanz im Separé von „Susi’s Showbar“ erntete massiven Fan-Widerstand bis hin zu Anträgen auf der Jahreshauptversammlung. Die mit Mehrheit angenommen wurden.
Dennoch ist die Idylle der freien Liebe auch im Millertor-Stadion längst nicht Realität – nach annähernd jedem Heim- und Auswärtsspiel finden sich empörte Berichte in Internetforen und bei Facebook und berichten von Unaussprechlichem, und noch bei Choreographien gegen Homophobie ist das Gewitzel in manchen Bereichen des Stadions unüberhörbar.
Zusammen mit den Teilnehmern der Diskussionsrunde wollen wir somit fragen: Wie wird man eigentlich so ein zumeist heterosexueller Mann, der sich über Schwule, Lesben und Frauen erhebt?
Und ist es nicht ganz allgemein so, dass das, was als Anlass zur Belustigung genutzt wird, ein als „weiblich“ eingeordnetes Verhalten ist?
Und was passiert, wenn Frauen aus dieser Rolle fallen und sich männliche Attribute zueigen machen?
Die Kommentare bei Youtube zu einem Beitrag über „Weibliche Ultras“ aus der ARTE-Sendung TRACKS lassen einen tiefen Einblick in die Sichtweise vieler Fussballfans zu:
„Oh ja das ist wichtig. Emanzipation im Block. „Gibts auch pinke Schlagringe? Och man keiner nimmt mich ernst da muss ich Ultra werden, dann nehmen sie ernst.“ dann will dich aber keiner mehr beackern. Man mal ehrlich: Wir gehen ins Stadion um den Weibern zu entkommen. Sollen die doch zum Frauenfußball gehen, das wäre doch konsequent emanzipiert. Und ja, wir quatschen dusslig beim Spiel und haben Spaß, denn darum gehts.“
Das ist noch einer der harmlosen Kommentare.
Christian Bettges, zugleich Produzent eben dieser TRACKS-Sendung, begibt sich mit seinen Talkgästen auf die Suche nach Antworten: Was treibt Menschen zu solchen Kommentaren?
Sehr pointierte Entgegnungen rappt Sookee aus Berlin. Sie setzt sich intensiv mit Homophobie und Sexismus auseinander – und immer auch damit, wie Männer sich selbst verstehen lernen müssen. Ein rund um den Fussball ebenso erstaunliches Geschehen wie auch im Hip Hop. In einer ganz von Status und Konkurrenz beherrschten Welt – bleibt da noch Raum für Liebe? Wieso müssen viele Männer eigentlich zwanghaft Frauen abwerten, die sie doch vorgeblich lieben, und ihnen den Macker vorspielen? Wieso diese ständig betonte Abgrenzung gegen Schwule?
„Männer müssen männer sein männer dürfen männer nicht lieben
Nur kameraden sind männer männer müssen die grenze ziehen
175 ein wunder punkt geshichtlich
Wie kann man nur hassen dass menschen sich lieben
realität ich blicks nich
Wenn frauen frauen küssen lieben ficken unterstützen
Ist das nur okay wenn sie männlichkeit damit beglücken
Vom rechten rand quer durch die gesellschaft toben sie
Klischees über lgbt homophobie“
Ein Auszug aus dem Song „Zusammenhänge“. Sookee weist damit mitten hinein ins Thema.
Nicole Selmer ist Sportjournalistin und hat ein ganzes Buch über weibliche Fussballfans geschrieben. Sie brilliert ebenfalls regelmäßig mit Texten zu der Gewaltdebatte rund um den Fussball bei Publikative.org und im österreichischen Fußballmagazin ballesterer. Wie lebt es sich als SportjournalistIN in einem von Männern dominierten Umfeld? Was macht es für einen Unterschied, ob man als Frau in der Kurve steht oder als Mann? Wir sind neugierig und fragen nach.
Dirk Brüllau ist im Aktionsbündnis gegen Sexismus und Homophobie in der Fanszene des FC St. Pauli aktiv und vernetzt bundesweit queere Fanclubs. Er weiß, dass zwar beim FC St. Pauli die Welt nicht rosarot ist – bekommt aus anderen Vereinen jedoch oft verstörte und verängstigte Reaktionen, wenn es darum geht, wirklich aggressiv und konfrontativ den Kampf gegen Homophobie aufzunehmen. „Das könnten wir bei uns nicht machen!“ – aber warum denn eigentlich nicht?
Das führt zugleich in das Zentrum schwuler Sozialisation: Zeigst Du Dich, musst Du mit Gewalt rechnen.
Aber was macht Heterosexuelle eigentlich so aggressiv, wenn sie Schwulen oder auch als „männlich“ gelesenen Lesben begegnen? Selbst noch so „tolerante“ Zeitgenossen zeigen sich manchmal wunderlich, wenn sie denn sehen, was „schwul“ oder „lesbisch“ tatsächlich heißt und wie es aussieht, und bei Transgender erst Recht. Wieso? Dirk Brüllau weiß Antworten.
Lars Alberth ist frisch promovierter Soziologe mit Wohnort Wuppertal, lehrte vor kurzem noch in Umea in Schweden – und hat das Verhalten von Männern in den Umkleidekabinen von Fitnesscentern erforscht. Was er fand, war Sprachlosigkeit und die Unfähigkeit, sich auf den Körper des Gegenübers zu beziehen. Kaum ein Ort dient in Schulen so nachhaltig der Einübung in Homophobie wie die Umkleidekabine, weil der Abgrenzungsbedarf – „schwul mich bloß nicht an!“ – ebenso demonstrativ gelebt wird wie nasse Handtücher, die auf Arschbacken knallen. Nicht nur für schwule Männer oft ein Trauma – Lars Alberth fand Ansätze, zu erklären, wieso das so ist.
Marius Ebbers – was soll man über ihn sagen? Fussballgott, lebende FC St. Pauli-Legende, einer der erfolgreichsten Zweitligastürmer aller Zeiten. In Trailern des Aktionsbündnisses gegen Sexismus und Homophobie zeigte er sich als einer, der mit der nötigen Aggressivität gegen Homophobie in seinen Aussagen am Ball war. Marius Ebbers berichtet darüber, wie das Thema in Profifussballerkreisen behandelt wird – oder auch nicht. Wir freuen uns ganz besonders über seine Teilnahme!
Im musikalischen Begleitprogramm wird Sookee einige Tracks präsentieren und der Vorstand von „1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.“, Michael Pahl, musikalisch seine Liebe zu Fabian Boll erklären. Tine Kreich, die jahrelang Fussball beim FC St. Pauli spielte und mit einer Frau zusammen lebt, wird uns mit ihrer Songwriterinnen-Kunst verzaubern. Und mit Love Newkirk, einst Moderatorin bei VH1 und heute bei Tide, wird eine der eindrucksvollsten Gospelstimmen der Hansestadt der ganz großen, der spirituellen Liebe huldigen.
Ein Text von Christian Bettges
Ort | Gegengerade, Ebene 1, Haupt-Bühne |
Zeit | Samstag, 28.09.2013, ab 20 Uhr bis ca. 22.30 Uhr |
Moderation | Christian Bettges (TV-Autor und -Produzent, u.a. „Pop 2000“, „TRACKS“, „Soul Power“; Grimme-Preisträger) |
Teilnehmer | Lars Alberth (Soziologe) Dirk Brüllau (Aktionsbündnis gegen Sexismus und Homophobie, FC St. Pauli, sowie Sprecher der „Queer Football Fanclubs“) Florian Lechner(Fussballgott) Nicole Selmer (Journalistin u.a. bei Publikative.org und im österreichischen Fußballmagazin ballesterer, Autorin „Watching the boys play – Frauen als Fussballfans“) Sookee (Rapperin, Poetin, Aktivistin) Marcus Urban (Diversity Coach, schwuler Ex-Fußballprofi und Autor des Buches „Versteckspieler“) |
Musikalisches Rahmenprogramm | Tine Kreich (Songwriterin) Love Newkirk (Sängerin) Michael Pahl (Songwriter) Sookee (Rapperin) |
Auf Facebook | https://www.facebook.com/events/215732555258457/ |